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Die Arbeitsreitweise der Gardians in der Camargue

In Frankreich, zwischen dem Mittelmeer und dem Rhône Delta, befindet sich ein weitläufiges Sumpfgebiet, die Camargue. Hier leben seit Hunderten von Jahren große Herden von Rindern, Camargue Pferden und ihre berittenen Hirten, die Gardians. Mit der Aufgabe des Hüten großer Herden hat sich hier eine heute noch bestehende traditionelle Arbeitsreitweise entwickelt, die Gardian-Reitweise. In diesem Beitrag erfährst du alles über die edlen weißen Pferde der Camargue und ihre Hirten.


Geschichte der Gardians in der Camargue

Die Arbeitsreitweise der Gardians in der Camargue hat eine lang bewährte Tradition in Frankreich. Bereits im Jahre 1512 wurde die Bruderschaft der Gardians gegründet, die bis heute besteht. Ziel der Bruderschaft war es, eine Art Sozialversicherung zu haben. So unterstützte die Bruderschaft ihre Mitglieder finanziell, wenn sie aufgrund von Krankheit oder Unfall nicht mehr der Stierarbeit nachgehen konnten. Im Todesfall des Gardian wurden die hinterbliebene Witwe und Waisen von der Bruderschaft versorgt. Heute ist die Aufgabe der Bruderschaft die Pflege der Tradition.

Die Arbeit eines Gardian bestand in dem Hüten der großen Herden schwarzer Stiere, so wie den Camargue Pferden, die in der Camargue nahezu wild leben. Die Camargue Pferde waren die treuen Begleiter und Unterstützer des Stierhirten und wurden ursprünglich ausschließlich zu diesem Zweck in der Camargue gezüchtet. Die schwarzen Stiere werden heute noch für den Stierkampf eingesetzt.

Heutzutage ist der ursprüngliche Gardian nur noch selten zu Pferd unterwegs. Man sieht ihn eher in seinem Geländewagen, wie er die einzelnen Herden der Stiere abfährt. Trotz alledem ist die Arbeitsreitweise der Gardian nach wie vor äußerst beliebt. Daher werden sowohl in der Camargue, als auch in Deutschland die besonderen Fähigkeiten der Pferderasse auf speziellen Turnieren und Vorführungen der Gardian-Reitweise vorgestellt.


Foto: Office de Tourisme d’Arles

💡Wusstest du schon… Die kleinen Hütten, in denen die Gardians, aber auch die Fischer und Schafhirten in der Camargue leben, nennt man “cabanes”. Man erkennt sie direkt an ihrer typischen Bauweise. Der Baukörper hat die Form eines Bootsrumpfes und trägt ein mit Reet gedecktes Dach mit aufgesetzter Lehmhaube. Die halbrunde Seite am Heck der Hütte ist immer gegen den Mistral Wind ausgerichtet. Auf ihrer Gegenseite ist am Ende des Dachsparrens ein Querholz oder ein Stierhorn befestigt. Dieses soll vor Blitzeinschlägen schützen und dient als Befestigung für ein Seil, das an sehr windigen Tagen im Boden vor der Hütte verankert wird. Die Wände der cabanes sind mit weißer Kalkfarbe gestrichen. Für die Außenmauer der Hütte wurden ursprünglich die Baumaterialien Lehm und Schilf aus den umliegenden Sümpfen benutzt. Aufgrund ihrer genialen Architektur und der Eigenschaft, sich perfekt an die klimatischen Bedingungen anzupassen, werden sie auch heute noch gerne gebaut. Allerdings mit zeitgemäßeren Baustoffen.


Die Camargue Pferde

Bei den Camargue Pferden handelt es sich um eine sehr alte Pferderasse mit wahrscheinlich iberischem und orientalischem Blut. Gezüchtet wird die Rasse vor allem in der Camargue, wo sie fast wild in großen Herden lebt. Es gibt sie ausschließlich in der Fellfarbe des Schimmels. Trotz des eher kleinen Stockmaßes von 135-148 cm ist das Camargue Pferd sehr kräftig und kompakt gebaut. Es ist äußerst robust und zeichnet sich durch seine Schnelligkeit und Wendigkeit aus. Gegenüber den Stieren ist das Camargue Pferd furchtlos und bringt den sogenannten “cow-sense” mit. Als cow-sense bezeichnet man das Mitdenken und das selbständige Reagieren bei der Rinderarbeit. Dadurch ist es ein ideales Stierpferd und Begleiter für den Gardian. Einmal jährlich werden die Herden der Camargue Pferde zusammengetrieben. Dabei werden die arbeitstauglichen Junghengste aussortiert, denn als Gardian-Pferde werden ausschließlich Hengste und Wallache eingesetzt.


Foto: Office de Tourisme d’Arles

💡Wusstest du schon… Die Camargue Pferde bringen eine besondere Eigenschaft mit, die sie von anderen Pferderassen unterscheidet. Sie können unter Wasser grasen. Genau genommen bedeutet das, dass sie die jungen Triebe der Schilfgräser, die unter der Wasseroberfläche in den Sümpfen wachsen, abfressen. Damit währenddessen kein Wasser in ihre Atemwege gelangt, können sie ihre Nüstern unter Wasser verschließen.


Die Reitweise der Gardian

Wie bei allen anderen Arbeitsreitweisen auch, reitet der französische Gardian einhändig. Die Zügel werden dabei sehr eng am Hals geführt. Grund hierfür ist, dass die freie Hand als sogenannte Arbeitshand genutzt wird. Sie hält beim Selektieren und Treiben der Stiere den Dreizack, “trident” genannt, hält das Lasso beim Einfangen von Stieren oder wird zum Öffnen und Schließen von Toren und Gattern genutzt.

Um das einhändige Reiten zu ermöglichen, muss das Camargue Pferd sehr sensibel an den Hilfen der Reiter:in stehen. Das bedeutet, dass die Pferde so ausgebildet wurden, dass sie bereits auf die kleinste Hilfe der Reiter:in reagieren. Anders als bei der englischen Reitweise wird bei der französischen Arbeitsreitweise, und generell bei allen Arbeitsreitweisen, immer nur dann eine Hilfe gegeben, wenn die Reiter:in eine Änderung des Bewegungsablaufs des Pferdes möchte. Ist die gewünschte Bewegung erfolgt, wird die Hilfe sofort wieder ausgesetzt. Daher laufen die Pferde auch nicht in ständiger Anlehnung am Zügel. Sie reagieren vielmehr bereits auf ein Anlegen des Zügels am Hals oder auf Stimmkommandos des Gardian.

Das feine an den Hilfen der Reiter:in Stehen und insbesondere das schnelle Reagieren des Camargue Pferdes ist während der täglichen Arbeit mit den Stieren überlebensnotwendig. Denn hierbei kommt es oftmals zu brenzligen und gefährlichen Situationen, bei denen eine schnelle Reaktion gefordert ist. Früher ritten die Gardians ihre Pferde nicht immer so sensibel. Die Arbeitsreitweise war sehr einfach und an die tägliche Arbeit mit den schwarzen Camargue Stieren angepasst. Heutzutage reitet ein guter Gardian sein Camargue Pferd mit den leichtesten Hilfen. Ein weiteres charakteristisches Merkmal ist, im Gegensatz zur englischen Reitweise, der durchgängig tiefe Sitz des Gardian in allen Gangarten.


In der Arbeitshand wird das trident gehalten
Foto: Office de Tourisme d’Arles

Die Ausrüstung des Gardian und seines Camargue Pferdes

Der Dreizack

Zu den typischen Ausrüstungsgegenstände des französischen Stierhirten gehört der Dreizack, auf französisch trident genannt, ein ca 2,5 m langer Holzstab mit einem eisernen Dreizack am Ende. Den trident nutzt der Gardian zum Treiben und Selektieren der Stiere. Laut einer alten Sage soll der römische Gott Neptun aus der Tiefe des Meeres mit einem Camargue Pferd aufgetaucht sein. Das Camargue Pferd wurde dann dem Stierzüchter, auch manadier genannt, übergeben und sollte ihm von nun an dabei helfen, die schwarzen Stiere einzufangen. Als Gegenleistung sollte das Camargue Pferd für immer in Freiheit leben. Daher trägt der Gardian bis heute einen Dreizack bei sich. In der Flagge der Camargue ist ebenfalls ein Dreizack abgebildet.

Der Camargue Sattel und seine Steigbügel

Zur weiteren Ausrüstungsgegenstand eines Camargue Pferdes und seiner Reiter:in zählt der typische Camargue Sattel, “selle gardiane” oder “selle camargue” genannt. Diese Sättel haben einen sehr hohen Vorder- und Hinterzwiesel, wodurch der tiefe und sichere Sitz des Hirten gewährleistet wird. Da die Sättel grundsätzlich mit einem einheitlichen Sattelbaum gefertigt werden, sollte der selle gardiane auf jedes Camargue Pferd passen. Bei der Herstellung des Sattels werden nur die Maße der Reiter:in berücksichtigt. Dies kommt daher, dass der Gardian immer mehrere Pferde in Beritt hat. So hat er seinen eigenen Sattel, der praktischerweise auf jedes Pferd passt. Unter dem Sattel liegt immer die typische braun-weiß karierte Satteldecke aus Wolle. Am Sattel angebracht sind außerdem die sogenannten Korbsteigbügel. Sie verhindern das Durchrutschen des Fußes und bieten so Sicherheit. Traditionell werden sie aus handgeschmiedetem Eisen gefertigt.


Der typische selle gardiane

Kandare und Zäumung 

Die traditionelle Zäumung des Camargue Pferdes besteht aus einem einfachen Kopfstück mit einer Kandare. Die Camargue Kandare ist aus geschmiedetem Eisen hergestellt und fängt, ähnlich wie man es von den spanischen Gebissen aus brüniertem Eisen kennt, mit der Zeit bei Benutzung an zu rosten. Dieser Rost hat einen angenehmen süßlichen Geschmack im Pferdemaul. Ihr Mundstück besteht aus einer Stange mit unbeweglichen Anzügen. Dies ist wichtig für eine ruhige Zügelführung bei der einhändigen Reiterei, außerdem liegt das Gebiss auch ohne Zügelanlehnung ruhig im Pferdemaul.

Das Martingal 

Ebenfalls zur Ausrüstung eines Camargue Pferdes gehört das traditionelle Martingal. Dieses wurde sogar unweit der Camargue in dem kleinen Örtchen Martigues erfunden und ist heutzutage überall als Hilfszügel bekannt. Das in der Camargue verwendeten Martingal unterscheidet sich aber von dem in Deutschland üblichen Martingal. So werden die Zügel nicht durch die Ringe der Martingalgabel geführt. Stattdessen wird es zwischen dem Nasenriemen des Kopfstückes und einem Übergurt am Sattelgurt verschnallt. So hat die Reiter:in durch ihre Zügelführung keinen direkten Einfluss auf die Martingalwirkung. Das Martingal soll verhindern, dass das Pferd den Kopf zu weit nach oben reißt und der Gardian die Kontrolle verliert. Dies stellt besonders bei den schnellen und oft gefährlichen Manövern bei der Rinderarbeit einen wichtigen Sicherheitsaspekt dar.

Das Cavecon 

Das Cavecon wird in der Camargue ausschließlich für die Ausbildung der jungen Pferde eingesetzt. Traditionellerweise werden sie auf vier Zügeln eingeritten, dafür wird zur Camargue Kandare zusätzlich das Cavecon benutzt. So lernt das junge Camargue Pferd nach und nach die gewünschte einhändige Reitweise und wird von Anfang an darin ausgebildet, auf die leichtesten Hilfen des Gardian zu reagieren.

Die Kleidung 

Der traditionelle Gardian trägt eine Hose aus einem sehr dicht gewebten Baumwollstoff, der aufgrund seiner glänzenden und samtigen Eigenschaft Moleskin (deutsch: Maulwurfsfell) genannt wird. Das Hemd des Gardian ist meist bunt und wurde ursprünglich aus bunten Stoffresten zusammengenäht, denn man konnte sich keine Hemden aus einem einheitlichen Stoff leisten. Zur Arbeitskleidung gehören auch noch ein schwarzer Hut, sowie ein schwarzes “samtiges” Sakko, ebenfalls aus Moleskin gefertigt. Sporen, wie in den iberischen Arbeitsreitweisen üblich, sind bei den Gardian eher selten.

Das Seden 

Das Lasso der französischen Hirten nennt man Seden. Es wird traditionell aus Pferdehaar in den Farben braun-schwarz-weiß gefertigt. Am Sattel befestigt, wird es zum Einfangen der Stiere verwendet.


Gardians und Camargue Pferde in ihrer traditionellen Ausrüstung
Foto: Office de Tourisme d’Arles

Das Fest der Gardians in Arles

Jedes Jahr zum 1. Mai findet in der französischen Stadt Arles das Fest der Gardians (franz. fête de gardians) statt, welches von der Bruderschaft der Gardians zu Ehren des heiligen Georg (Schutzpatron der Reiter) organisiert wird. Schon früh morgens reiten die Stierhirten auf ihren Camargue-Schimmeln durch die kleinen Gassen und Straßen vor Arles, bis zum Vorplatz der Église de la Major. Dort findet ein Gottesdienst statt und Reiter:innen und Pferde werden gesegnet. Danach demonstrieren die Gardians in der fast 2000 Jahre alten Arena von Arles die Rittigkeit und Gelassenheit ihrer Camargue Pferde bei der Arbeit mit den Stieren und bei Reiterspielen.

Tradition, die bis heute Bestand hat

Der traditionelle Gardian, sowie die Pferderasse des Camargue Pferdes haben eine jahrhundertealte Geschichte und sind bis heute charakteristisch für die Camargue. Aber nicht nur in der Camargue sind die weißen Pferde und die französische Arbeitsreitweise äußerst beliebt, sondern auch in Deutschland finden sich immer mehr Anhänger der Gardian-Reitweise.

Wir danken dem Office de Tourisme d’Arles für die schönen Fotos und die Zusammenarbeit bei der Entstehung dieses Beitrags.


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Myriam Scotti
Myriam Scotti

Hallo, ich bin Myriam und kümmere mich bei Picadera um den Kund:innen Service und um den Versand. Zusätzlich mache ich gerade eine Weiterbildung im Bereich Marketing.
Da in meiner Familie Pferde schon immer eine große Rolle gespielt haben, konnte ich bereits in jungen Jahren so einiges an Erfahrung sammeln. So gehören auch seit einiger Zeit die beiden englischen Vollblüter Antarro und Belle Indomita zur Familie.
Zusätzlich ist meine Reitbeteiligung Lukas, ein deutsches Reitpony, seit vielen Jahren mein treuer Begleiter. Ein ziemlich guter Lehrmeister, der mich schon so einiges gelehrt und mich in meinem reiterlichen Können weitergebracht hat. Da Lukas mittlerweile das Rentenalter erreicht hat, verbringen wir unsere Zeit hauptsächlich mit schönen Ausritten im Gelände und freier Arbeit vom Boden aus.

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