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Die Arbeitsreitweise der Butteri in der Maremma

Die wohl bekanntesten Arbeitsreitweisen sind die spanische und die portugiesische Reitweise. Daneben gibt es noch die italienische Arbeitsreitweise, die oft ein wenig in Vergessenheit gerät, dabei haben die Italiener als erste die Disziplin der Working Equitation ins Leben gerufen. In diesem Beitrag erfährst du mehr über die Butteri, die italienischen Cowboys der Maremma in der Toskana und ihre Reitweise, die Monta Maremmana.


Geschichte der Butteri in der Maremma

Im 17. Jahrhundert entschieden sich immer mehr Adlige aus Florenz, riesige Landgüter in der Maremma, einem großen Sumpfgebiet in der Toskana, zu erwerben. Aufgrund ihrer unerträglichen klimatischen Bedingungen war die Maremma ein menschenfeindliches Gebiet, da in den sehr heißen Sommermonaten große Malariagefahr herrschte. Daher konnten die Landgüter nur in den Herbst-und Wintermonaten von Leibeigenen und Landarbeitern bewirtschaftet werden. In dem sumpfigen Gebiet wuchsen hauptsächlich Macchie Sträucher und große Wälder mit Pinien. Da sich aufgrund der Gegebenheiten keine normale Landwirtschaft etablieren konnte, setzte sich nach und nach die Rinderzucht in der Maremma durch. Die großen Rinderherden lebten nahezu wild in dem riesigen Sumpfgebiet, daher empfahl sich der Einsatz eines berittenen Rinderhirten. So entstand die Arbeit und die Reitweise der Butteri. Ihre Aufgabe war das Hüten der großen Herden von Maremma Rindern. Treuer Unterstützer des Buttero war dabei das Maremmano Pferd. Mit ihm trieb der Buttero die Herde von einem Weidegrund zum nächsten, fing ausgerissene Tiere wieder ein oder selektierte Jungtiere. Das Entwurmen und Impfen, sowie einmal im Jahr die Kälber zur “Marca” – dem Brennen – zu treiben, gehörte ebenfalls zu seiner Aufgabe. Kranke oder verletzte Tiere wurden vom Buttero verarztet. Um all die Aufgaben erfüllen zu können, waren lange Tage im Sattel bei jedem Wetter gefordert. Ernährt wurde sich von karger Kost, ständiger Begleiter waren die Krankheiten Malaria und Tuberkulose. So manch einer scherzte, dass man einen Buttero dazu zwingen muss, zum Essen und Trinken vom Pferd zu steigen. Trotz der sehr harten und schlecht bezahlten Arbeiten waren die Butteri stolz auf ihren Beruf. Ähnlich wie bei den Gardians in der Camargue, waren sie eine stark eingeschworenen Gemeinschaft. Man gab das Wissen oft vom Vater an den Sohn weiter.


Maremmano Rind bei Picadera
Die Maremma Rinder leben heute unterteilt in Gruppen unterschiedlichen Alters und Geschlechts im Maremma Nationalpark

Im Jahre 1920 ließ Mussolini einen Großteil des pontinischen Marschlandes in der Maremma erfolgreich trockenlegen. Sein Ziel war es, die anhaltenden Malaria-Ausbrüche einzudämmen und das Gebiet landwirtschaftlich nutzen zu können. Nachdem ein Großteil des Sumpfgebietes trockengelegt wurde und die Zahl an Anbauflächen stieg, nahm der Bedarf an Butteri stark ab. Die Rinderherden wurden deutlich kleiner. Um die Anbauflächen zu bewirtschaften, benötigte man Traktoren und keine italienischen Cowboys.

Als 1975 südlich von Grosseto der Nationalpark Maremma mit über 200.000 Hektar Fläche und einigen Landgütern von der italienischen Regierung wieder ins Leben gerufen wurde, gab es für die Butteri wieder eine Aufgabe. Heute gibt es noch um die 1.000 Butteri. Neben dem Hüten der Rinderherden, betreuen sie auch die Herden der Maremmano Pferde, sowie Touristen, die auf die Landgüter kommen. Sie veranstalten traditionelle Reiterspiele, in denen die Wendigkeit und Schnelligkeit ihrer Maremmano Pferde gezeigt wird. Wer sattelfest ist, kann mit den Butteri einen Ausritt durch die weitläufige Maremma unternehmen oder beim Treiben und Selektieren der Rinderherden zu Pferden helfen.


Kleine Maremmano Kälbchen bei Picadera
Bei einem Ausritt mit den Butteri kann man junge Kälbchen hautnah erleben

Im Jahre 1890 kam Colonel William Cody, auch bekannt als Buffalo Bill, mit seiner Wildwest Show nach Rom. Er und seine Truppe bezeichneten sich als die besten und verwegensten Reiter. Als die Butteri davon erfuhren, fühlten sie und Herzog Castani di Sermoneta sich herausgefordert, an der Show ebenfalls teilzunehmen. Der Herzog forderte Buffalo Bill und seine Cowboys dazu auf, eines der wilden italienischen Jungpferde einzufangen, zu zähmen und zu reiten. Im Gegenzug sollten die Butteri eines der Pferde von Buffalo Bill einfangen und reiten. Nach Berichten zähmten die Butteri schneller das Pferd von Buffalo Bill als die Amerikaner das italienische Pferd. So erzählen es jedenfalls heute noch voller Stolz die Butteri.


Die Maremma Pferde

Der Maremmano ist eine sehr alte italienische Pferderasse, deren Ursprung bis in die Zeit der Etrusker zurückgeht. Bis heute wird das Maremmano Pferd hauptsächlich als Hirtenpferd eingesetzt. Er ist der treue Unterstützer des Buttero bei seiner Arbeit. Sein Körperbau gleicht dem eines typischen Arbeitspferdes: kompakt mit stämmigen Beinen bei einem Stockmaß zwischen 155-170cm. Sein Wesen ist sehr ausgeglichen und freundlich. Er zeichnet  sich vor allem durch seine Robustheit, Ausdauer und Trittsicherheit aus. Er ist bekannt dafür, dass er mit jedem Wetter und jeder Art von Boden zurechtkommt. Daher ist der Maremmano auch ideal für lange Wanderritte geeignet. Die Fellfarbe des Maremmano Pferdes ist meist braun oder schwarz. Abzeichen haben sie meist keine, wenn dann nur sehr kleine. Wie fast alle Pferderassen, die für das Arbeitsreiten eingesetzt werden, bringt auch der Maremmano den berühmten siebten Sinn für die Rinderarbeit mit, den sogenannten cow sense. Das ermöglicht ihm, seine Reiter:in ideal bei der Rinderarbeit zu unterstützen. Übrigens setzt die italienische Polizei für ihre berittenen Carabinieri zahlreiche Maremmano Pferde als Dienstpferde ein.


Fertig gesatteltes Maremmano Pferd bei Picadera
Ein Maremmano Pferd ist bereit für einen Ausritt

Monta Maremmana – Die Reitweise der Butteri

Die Arbeitsreitweise der Butteri in der Maremma zeichnet sich vor allem durch ihre Einfachheit aus. Sie hat sich dem Zweck des Rinderhüten angepasst. Die Ausbildung der Reiter:in erfolgt praktisch direkt im Sattel. Wie bei allen Arbeitsreitweisen, reitet auch der Buttero einhändig, in seiner freien Hand hält er den hölzernen Unico oder sein Lasso aus Sisal. Anders als bei den meisten Arbeitsreitweisen wird leichtgetrabt, im Galopp wird ausgesessen oder man geht in den leichten Sitz. Die Pferde sind so ausgebildet, dass sie fliegende Wechsel, schnelle Hinterhandwendungen und Stopps hervorragend beherrschen.


Buttero reitet auf seinem Pferd bei Picadera
Malerische Kulisse – Der tägliche Kontrollritt zu den Herden führt auch am Meer entlang

💡 Wusstest du schon… Die heutigen Butteri führen täglich einen Kontrollritt zu den unterschiedlichen Herden durch. Als Gast im Maremma Nationalpark besteht die Möglichkeit, sie bei diesem Ritt zu begleiten. Picadera-Gründerin Fanni hat die Chance im Rahmen einer Toskana-Reise bereits genutzt – von ihrem Ritt stammen die Fotos in diesem Beitrag.

Ausrüstung des Buttero und seines Maremmano Pferdes 

Der Sattel

Die Butteri nutzen für ihre Pferde zwei verschiedene Arten von Sätteln. Dabei ist der bekanntere der Bardella Sattel. Er ist meist baumlos und aus Wild-oder Glattleder gefertigt. Um lange und möglichst bequem und sicher in ihm zu sitzen, hat er eine breite Sitzfläche und breite Pauschen. Gepolstert ist der Sattel mit Pferdehaar. Das hat zur Folge, dass der Sattel zu Beginn sehr steif ist und erst “eingeritten” werden muss. Dabei passt er sich langsam an Reiter:in und Pferd an. Der Sattel ist dann ganz individuell angepasst und passt nicht für mehrere Reiter:innen oder Pferde.

Das zweite von den Butteri genutzte Sattelmodell ist der sogenannte Scarfarda, ein Arbeitssattel welcher vom Militär abstammt. Der Scarfarda ist, wie der Bardella Sattel auch, mit Pferdehaar gepolstert. Allerdings hat er zusätzlich einen Sattelbaum aus Holz und ist daher recht schwer. Bei beiden Sättel ist der Sitz meistens gerippt. Sie erinnern von ihrer Optik an maurische oder iberische Sättel. Die verwendeten Steigbügel sind den klassischen englischen Steigbügeln sehr ähnlich. Zum Sattel werden meist Vorderzeug und Schweifriemen kombiniert.


Nahaufnahme Maremma Sattel bei Picadera
Ein Scarfarda Arbeitssattel mit hölzernem Sattelbaum

Das Zaumzeug und die Kandare

Das verwendete Zaumzeug der Butteri ist recht einfach gehalten und traditionell. Geritten wird mit einer Kandare. Die verwendeten Zügel sind ähnlich wie beim Westernreiten an den Enden offen. Unter der Zäumung trägt das Maremma Pferd ein typisches Hafter aus Sisal mit integriertem Führstrick, das “Cavezza maremmana“. Dieses wird zum Führen und Anbinden des Pferdes verwendet. Das Halfter wird aber auch zum Einreiten von Jungpferden eingesetzt.


Nahaufnahme Maremmano Pferd mit Zaumzeug bei Picadera
Schlichtes Zaumzeug mit Kandare

Das Lasso

Das Lasso ist wie das Halfter ebenfalls aus weichem Sisal gefertigt. Es ist vorne am Sattel befestigt und wird zum Einfangen der Rindern genutzt.

Der Treibstock

Zum wichtigsten Accessoire des Buttero gehört der Uncino, ein ca 1,5 m langer Holzstock mit einem Haken am Ende und einer Art Gabel an seinem anderen Ende. Um eine lange Haltbarkeit zu garantieren, wird der Uncino aus dem Holz der Kornelkirsche geschnitzt. Mit Hilfe des Unico kann der Buttero Seile vom Pferd aus aufheben, Rinder treiben oder Tore auf- und zumachen. Der Unico wird auch als dritte Hand des Buttero bezeichnet.

Die Kleidung

Die Kleidung des Buttero, auch Divisa genannt, besteht aus einem Sakko oder Gilet mit Hosen aus Cordsamt. Darunter trägt er meist ein helles oder hell-kariertes Hemd. Dazu wird eine Krawatte und ein breitkrempiger Hut kombiniert. Über dem Sakko oder Gillet trägt der Buttero einen langen Ledermantel, ähnlich einem Wanderreitmantel, der ihn vor Nässe und Kälte schützt. Die Kleidung wird meist in den Farben Olivgrün, Braun und Beige bzw. Graubraun gewählt. Sporen werden auch getragen, sie sind meistens klein und haben eine unauffällige Form.


Buttero von hinten auf seinem Pferd bei Picadera
Typisches Outfit eines Buttero, in der Arbeitshand hält er den Unico

💡 Wusstest du schon… Die Butteri benutzen eigentlich nie die Steigbügel zum Aufsteigen. Grund hierfür ist das Schonen des Pferderückens, denn sie müssen bei ihrer täglichen Arbeit sehr oft auf- und absteigen. Stattdessen nutzen sie eine Mauer, einen Baumstamm oder was man sonst so als Aufstieghilfe finden kann.


Die Wurzeln der Working Equitation

Der typische Buttero, sein Pferd und seine Reitweise haben sich in den letzten hundert Jahren kaum verändert. Wer die alte typische Arbeitsreitweise einmal richtig kennenlernen möchte und Fan der Working Equitation ist, sollte auf einer Italienreise auf alle Fälle den Butteri in der Maremma einen Besuch abstatten. Vielleicht hat man sogar die Möglichkeit, sich in den Sattel eines berühmten Maremmano Pferdes zu schwingen. 

Myriam Scotti
Myriam Scotti

Hallo, ich bin Myriam und kümmere mich bei Picadera um den Kund:innen Service und um den Versand. Zusätzlich mache ich gerade eine Weiterbildung im Bereich Marketing.
Da in meiner Familie Pferde schon immer eine große Rolle gespielt haben, konnte ich bereits in jungen Jahren so einiges an Erfahrung sammeln. So gehören auch seit einiger Zeit die beiden englischen Vollblüter Antarro und Belle Indomita zur Familie.
Zusätzlich ist meine Reitbeteiligung Lukas, ein deutsches Reitpony, seit vielen Jahren mein treuer Begleiter. Ein ziemlich guter Lehrmeister, der mich schon so einiges gelehrt und mich in meinem reiterlichen Können weitergebracht hat. Da Lukas mittlerweile das Rentenalter erreicht hat, verbringen wir unsere Zeit hauptsächlich mit schönen Ausritten im Gelände und freier Arbeit vom Boden aus.

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