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Europäische Arbeitsreitweisen und ihre Geschichte 

Die alten ursprünglichen Arbeitsreitweisen bestehen bereits seit hunderten von Jahren. Welche Arbeitsreitweisen es gibt, wie sie sich im Hinblick der letzten Jahre entwickelt haben und was eine Arbeitsreitweise eigentlich ausmacht, erfährst du in diesem Beitrag.


Was versteht man unter einer Arbeitsreitweise?

Arbeitsreitweisen wurden früher vor allem in Südeuropa ausgeübt. Als Ursprung aller Arbeitsreitweisen gelten die Gardian-Reitweise in der Camargue in Frankreich und die iberische Arbeitsreitweise. Zum Treiben und Hüten großer Rinderherden setzte man berittene Rinderhirten ein. Dabei mussten die Hirten darauf achten, dass die Herde auch auf schwierigem Gelände sicher ihren Weg fand und kein Tier ausbrach oder verloren ging. Falls dies passierte, musste das Tier wieder schnell zurück zur Herde getrieben werden. Zur Arbeit der Rinderhirten gehörte auch das Öffnen und Schließen von Toren, um die Herde durchzulassen. Hindernisse, wie Baumstämme, mussten überwunden werden oder man durchquerte mit der Herde einen Wasserlauf.

Das erforderte von Reitern und Pferden sehr viel Geschick und Können. Die eingesetzten Pferde mussten neben ihrer Trittsicherheit schnell und wendig sein und bereits auf die kleinste Hilfe des Reiters reagieren. Wichtig war auch, dass das Pferd des Hirten den sogenannten „cow sense“ besitzt. Darunter versteht man das selbständige Mitdenken und Reagieren des Pferdes auf die Aktionen der Rinderherde.

Die Arbeitsreitweisen der Hirten waren zu Beginn sehr ursprünglich und einfach und dem Zweck des Rinderhüten angepasst. Im Laufe der Jahrhunderte wurde die ursprüngliche, sehr einfache Reitweise in Spanien und Portugal immer weiter verfeinert und landestypisch ausgeprägt. In ihren Ursprungsländern sind die verschiedenen Arbeitsreitweisen nicht nur Reitweisen, sondern auch Ausdruck des Lebens selbst. Sie spiegeln die Lebensphilosophie, sowie die Mentalität des Landes und der Leute wider.

💡Wusstest du schon… Als „cow sense“, zu Deutsch Sinn für das Rind, bezeichnet man die teils angeborene, teils erlernte Fähigkeit eines Pferdes, sich auf die Aktionen des Rindes einzustellen und dementsprechend zu reagieren. Diese Pferde erkennen bei der Rinderarbeit, auf welches Rind es die Reiter:in abgesehen hat, und beteiligen sich aktiv an der Absonderung des Rindes. Hierbei lässt sich das Pferd nicht von der Reiter:in beeinflussen, diese sitzt ruhig im Sattel. Pferde mit einem cow sense eignen sich daher hervorragend für das Hüten von Rindern. Demonstrationen des “cow sense“ kann man in der Rinderarbeit der Working Equitation oder in der Disziplin Cutting auf einem Westernturnier beobachten.


Gemeinsamkeiten aller Arbeitsreitweisen

Alle Arbeitsreitweisen haben den Zweck, eine Arbeit mit dem Pferd zu verrichten. Hierfür müssen teilweise schwierige und gefährliche Aufgaben erfüllt werden. Daher spielt auch der Sicherheitsaspekt eine große Rolle. Dies spiegelt sich in der Ausrüstung des Pferdes, wie dem Sattel und den Steigbügeln wider. Sie ist so konzipiert, dass die Reiter:in auch bei schnellen und schwierigen Wendungen und Manövern sicher im Sattel sitzt. Der Sattel ist für ein langes, bequemes Reiten und für den durchgängig tiefen und sicheren Sitz der Reiter:in in allen Gangarten entwickelt. Anders als bei der englischen Reitweise, in der oft der leichte Sitz praktiziert wird. Zusätzlich hat der verwendete Sattel eine breite Auflagefläche, um den Rücken des Pferdes bei den langen Ritten zu schonen. Weiteres Merkmal ist, dass in allen Arbeitsreitweisen einhändig geritten wird. Die freie Hand wird zum Arbeiten benötigt. Sie dient zum Beispiel dazu, Tore zu öffnen oder die Garrocha, den Dreizack oder das Lasso zu halten. Jungpferde, die sich noch in der Ausbildung befinden, sind davon ausgenommen. Sie werden während ihrer Ausbildung noch auf die einhändige Reitweise vorbereitet. Für manche Arbeitsreitweisen wurden spezielle Pferderassen gezüchtet, die besonders gut mit den landestypischen Anforderungen zurechtkommen, wie zum Beispiel die Carmargue Pferde in Frankreich.

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Die unterschiedlichen Arbeitsreitweisen der einzelnen Länder

Im Laufe der Jahre haben sich in den verschiedenen Ländern Reitweisen gebildet, die sich an die Arbeit mit dem Rind angepasst haben. Neben den ursprünglichen und bekanntesten Arbeitsreitweisen aus Frankreich und der Iberischen Halbinsel gibt es allerdings noch weitere. 

Spanien und die Reitweise der Doma Vaquera

Die Doma Vaquera (deutsch: Dressur der Rinderhirten) ist eine spanische Arbeitsreitweise, die sich im 17. Jahrhundert in Andalusien aus der täglichen Arbeit mit Rindern und Stieren entwickelt hat. Vaquero nennt man den spanischen Rinderhirten, der große Rinderherden oder die schwarzen Kampfstiere zu Pferd hütet. Für das Rinderhüten wird die Pferderasse Tres Sangres eingesetzt, das sogenannte Vaquero Pferd. Der Tres Sangres ist eine Mischung aus Andalusier, Araber und Englischem Vollblut. Er zeichnet sich durch seine Ausdauer, Schnelligkeit und Wendigkeit aus. Diese Fähigkeiten sind vor allem in der Arbeit mit den Kampfstieren überlebensnotwendig. Typischer Ausrüstungsgegenstand eines Vaqueros ist die Garrocha, ein meist 3,50 m langer Holzstab, der zum Aussortieren der Stiere eingesetzt wird. Heutzutage ist die Doma Vaquera zugleich Sportdisziplin und Arbeitsreitweise.


💡Aus der spanischen Arbeitsreitweise entwickelte sich auch die altkalifornische Reitweise. Sie kam mit der Kolonialisierung durch Christoph Kolumbus mit den ersten spanischen Pferden nach Amerika. Noch heute wird die altkalifornische Arbeitsreitweise zum Hüten großer Rinderherden eingesetzt. Anders als die traditionellen spanischen Vaqueros nutzt der California Vaquero keine Garrocha, sondern ein Lasso. Dieses wird zum Einfangen von Tieren verwendet.

Die Arbeitsreitweise der Portugiesen

In Portugal nennt man die berittenen Stierhirten Campinos. Sie hüten große Rinderherden in dem Schwemmlandgebiet des Flusses Ribatejo in den Regionen Ribatejo und Alentejo.  Die Aufgabe des Campinos besteht darin, die wilden Stiere zu hüten und zu führen. Mit seiner hölzernen Lanze, dem Pampilho, an deren Ende ein Stachel befestigt ist, werden die gefährlichen Stiere geführt. Die traditionelle Arbeitsreitweise in Portugal ist der spanischen Arbeitsreitweise Doma Vaquera recht ähnlich.

Die Camargue Pferde und die Gardian-Reitweise in Frankreich 

Gardians werden die Rinder – und Pferdehüter in der Camargue genannt. Der Name Gardian kommt vom französischen Wort gardée, das bewachen oder hüten bedeutet. Die Stiere und Camargue Pferde leben hier meist halbwild, in großen Herden, “manardes” genannt. Da die Camargue ein großes Sumpfgebiet in Frankreich zwischen dem Mittelmeer und dem Rhône Delta ist, sorgen die Pferde – und Camargue Rinderherden dafür, die Landschaft frei von Bewuchs zu halten und so das Ökosystem der Camargue aufrechtzuerhalten. Denn hier leben seltene Tier- und Pflanzenarten. Mithilfe der wendigen und schnellen Camargue Pferde besteht die Aufgabe eines Gardians darin, die kleinen gefährlichen Stiere einzufangen. Diese werden dann später für den Stierkampf eingesetzt. Die Camargue Pferde bringen eine besondere Eigenschaft mit, sie besitzen den sogenannten “cow sense”. Sie können sich auf die Aktion des Stieres einstellen und dann entsprechend reagieren. Bis heute hat sich die traditionelle Arbeitsreitweise der Gardians kaum verändert. Jedoch hat sich im Gegensatz zur ursprünglichen Reitweise ein hohes Maß an Sensibilität gegenüber dem Pferdes eingestellt. Ein guter Gardian reitet sein Pferd heutzutage mit leichten Hilfen.


Camargue Gardian bei der Rinderarbeit mit seinem Camargue Pferd bei Picadera
Ein Gardian und sein Camargue Pferd bei der Arbeit mit den Stieren. Foto: Office de Tourisme d’Arles

Die Butteri in der Maremma in Italien

Zwischen Siena und Rom liegt in der Toskana ein wildes, unbewohntes Sumpfgebiet, die Maremma. Sie beheimatet die Herden des Maremma Rindes. Um die halbwild lebenden Herden der Maremma Rinder zu hüten und zu betreuen, wurden berittene Cowboys eingesetzt, die Butteri. Ihr Reitstil wird meist als typisch traditionell bezeichnet und ist ähnlich der anderen Arbeitsreitweisen an die Arbeit mit den Rindern angepasst. Die eingesetzten Pferde der Butteri sind die Maremmanos, eine fast ausschließlich in Italien beheimatete Rasse. Sie zeichnen sich durch ihre große Ausdauer, Wendigkeit und Trittsicherheit aus. Außerdem bringen auch sie den berühmten “cow sense” mit, wodurch sie hervorragend für die Arbeit mit dem Rind geeignet sind.


Buttero reitet auf seinem Pferd bei Picadera
Ein Buttero in traditioneller Arbeitskleidung mit seinem Maremma Pferd.

Ungarn und die Reitweise seiner Pferdehirten

Die Aufgabe der ungarischen Csikós, so nennt man hier die berittenen Pferdehirten, war das Hüten großer Pferdeherden. Sie waren hauptsächlich in der ungarischen Puszta, im Nationalpark Hortobágy, beheimatet. Hier ließen sich viele Pferdezüchter nieder, denn die Umgebung der Puszta war ideal zum Halten von Vieh. Der Csikós war nicht nur für das Hüten und das Wohlergehen der Pferde verantwortlich, sondern kümmerte sich auch um die Aufzucht junger Fohlen. Sein Status in der Gesellschaft war sehr hoch, denn man wusste, ohne ihn würden keine Pferde zur Verfügung stehen. Bekannt waren die Csikós auch für ihr reiterliches Können. Ein Beispiel hierfür ist die ungarische Post, bei welcher der Csikós auf dem Rücken zweier Pferde steht, während er drei weitere Pferde als Gespann vor sich traben lässt. Nach dem Ersten Weltkrieg starb der Beruf des Csikós leider nach und nach aus, denn die Dienste des Pferdehirten wurden von den Züchtern nicht mehr benötigt.

Neben den Csikós gibt es noch die Gulyás, die Rinderhirten, die sich das Hüten von Graurindern, die u. a. mit den Maremmaner Rindern nah verwandt sind, zur Aufgabe gemacht haben. Von ihnen leitet sich auch der Name des ungarischen Hirtengerichtes ab – in Deutschland bekannt unter dem Namen Gulasch. Wesentlicher Unterschied zu den Arbeitsreitern der anderen europäischen Länder ist, dass die berittenen Hirten in Ungarn ausschließlich für die Pferdeherden zuständig waren. Der Rinderhirte hingegen war nicht beritten, sondern zu Fuß unterwegs.


Welche Turnierdisziplinen haben sich aus den Arbeitsreitweisen entwickelt?

Im Laufe der Jahre entstanden unter den Rinderhirten kleine freundschaftliche Wettbewerbe zum Zeitvertreib. Sie begannen, sich in ihren verschiedenen Arbeitsschritten zu messen. Hierbei wurden Schnelligkeit, sowie Geschicklichkeit abgefragt. Aber auch die klassische Dressur, als Grundlage der Ausbildung, stand hierbei im Mittelpunkt. 

Später entstanden so die ersten Wettbewerbe in der Arbeitsreitweise. Italien hatte in den 1990er Jahren die Idee, das alte ursprüngliche Arbeitsreiten als Kulturgut zu erhalten. Im Jahre 1996 gab es hier die ersten Wettbewerbe in der Working Equitation. Nicht viel später wurde in Portugal die Equitação de trabalho zu einer äußerst beliebten Reitsportdisziplin. Die Portugiesen sind seit Jahren führende Nation in diesem Sport. Bereits in den 1970er Jahren entwickelte sich in Spanien aus der ursprünglichen Doma Vaquera Reitweise eine sehr beliebte Turnier-Disziplin. Hierbei werden Lektionen geritten, die der Vaquero für die tägliche Arbeit mit den Rindern benötigt.

Aus der Camargue-Reitweise der Gardians sind sowohl im Ursprungsgebiet der Camargue, als auch in Deutschland, Turniere entstanden. Bei diesen werden die besonderen Fähigkeiten der kleinen weißen Camargue Pferde vorgestellt. In Deutschland werden jährlich Turniere in der Gardian Arbeitsreitweise nach dem offiziellen französischen Reglement veranstaltet.

Die alten ursprünglichen Arbeitsreitweisen in Italien, Frankreich und der iberischen Halbinsel haben letztlich die heute immer beliebter werdende Turnier-Disziplin Working Equitation hervorgebracht und gelten daher auch als Mutter der Working Equitation. Die Working Equitation hat sich zum Ziel gesetzt, die alten bewährten Arbeitsreitweisen der Ursprungsländer zu erhalten. Dabei sind zudem viele Elemente der klassischen Dressur enthalten, in der Masterclass wird traditionell einhändig geritten. Heutzutage finden in 11 Ländern Turniere in der Working Equitation statt.


Reiterin mit ihrem Pferd bei einem Working Equitation Turnier bei Picadera
Fanni mit ihrer Stute Filiberta bei einem Working Equitation Turnier.

Das Arbeitsreiten – eine jahrhundertealte Tradition

In Frankreich und auf der iberischen Halbinsel hat sich das ursprüngliche Hüten von großen Rinderherden zu Pferde zu einer kulturell bedeutenden Arbeitsreiterei entwickelt. Heutzutage wird das traditionelle Hüten von Rindern kaum noch ausgeübt. Umso schöner ist es, dass die ursprüngliche Arbeitsreitweise heute als Sport in der Working Equitation erhalten werden kann. Falls du mehr über die Disziplin der Working Equitation wissen möchtest, kommst du hier zu unserem Working-Equitation-Blog.


Du möchtest noch mehr über die einzelnen Arbeitsreitweisen erfahren?

Hier findest du ausführliche Artikel dazu:

Hier findest du tolle Produkte aus der iberischen Reitweise:

Myriam Scotti
Myriam Scotti

Hallo, ich bin Myriam und kümmere mich bei Picadera um den Kund:innen Service und um den Versand. Zusätzlich mache ich gerade eine Weiterbildung im Bereich Marketing.
Da in meiner Familie Pferde schon immer eine große Rolle gespielt haben, konnte ich bereits in jungen Jahren so einiges an Erfahrung sammeln. So gehören auch seit einiger Zeit die beiden englischen Vollblüter Antarro und Belle Indomita zur Familie.
Zusätzlich ist meine Reitbeteiligung Lukas, ein deutsches Reitpony, seit vielen Jahren mein treuer Begleiter. Ein ziemlich guter Lehrmeister, der mich schon so einiges gelehrt und mich in meinem reiterlichen Können weitergebracht hat. Da Lukas mittlerweile das Rentenalter erreicht hat, verbringen wir unsere Zeit hauptsächlich mit schönen Ausritten im Gelände und freier Arbeit vom Boden aus.

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